Auszüge zum LesenAls Vater erfahren hat, dass alle Leute, die nichts mit Politik zu tun hatten, der Reihe nach von den Russen nach Sibirien gebracht werden, kam er damals nach Hause und sagt: „Hier gibt’s für uns kein Leben, es sein kann, dass sie jeden Moment kommen und sagen ‚mach dich fertig‘, ein paar Stunden geben sie einem, um sich fertig zu machen, und dann nach Sibirien.“ Die russische und polnische Front war da schon auf unserem Gebiet, und damals, das war so Ende April, sind wir von dort weggefahren. Aber bis zum Bahnhof waren es 14 Kilometer, obwohl es eine Kreisstadt war. Es gab keine Eisenbahn, in die wir bei uns in der Stadt hätten alles einladen können. Wir sind zum Güterbahnhof gefahren und warteten unter freiem Himmel mit unserer gesamten Habe und Vorräten, weil wir auf gut Glück gefahren sind, wir wussten nicht, wohin und warum wir fahren. Wir wussten nur, dass wir fahren, damit sie uns nicht wegbringen. Na und mit dem ersten Transport fuhren wir los. Und wir kamen 1945 an, am 15. Mai 1945. Schon am 15. Mai 1945 waren wir in Krzyż (Kreuz). Anfangs waren wir in Opole (Oppeln). Meine Mutter sagte, dass sie da nicht bleiben wollte, weil es nur russisches Militär gab und einen Polen, den Bürgermeister. Er flehte Vater an: „Nimm ein Beil, öffne die erstbeste Tür und bleib. So werden wir schon zwei Polen sein.“ Mutter sah all diese Russen, russisches Militär. Da wollte sie nicht bleiben. Der Bürgermeister bat ihn noch: „Komm, hilf mir, die Kühe und Pferde frei zu lassen und sie auf die Weide zu treiben.“ Und danach saßen wir wieder im Transport und fuhren. Aber damals suchte ein Mensch den anderen. Hier waren viele Menschen aus dem Osten, und ein jeder wollte mit anderen sein. Als wir hier ankamen, da hat Mutter – wir wohnten damals auf der Staszic-Straße, hier hinter den Gleisen – ein halbes Jahr lang nicht ausgepackt. Weil nah an den Gleisen, weil wir gleich wieder nach Hause zurückkehren. Na und Vater hat hier gleich 1945 – von irgendwas musste man ja leben – eine Schneiderei aufgemacht. Und fast bis zum Tod hat er geschneidert. Der Betrieb war auf der Staszic-Straße, da wohnten wir, und später zogen wir hierher um. Und in diesem Raum war die ganze Zeit die Schneiderei. Vater hatte sogar Schüler, Gesellen. In Poznań (Posen) haben wir ein halbes Jahr gelebt. Meinem Mann hat die Arbeit nicht gefallen, also hat er gekündigt und wurde bei der Eisenbahn angenommen. Von Poznań bis Krzyż (Kreuz) fuhren wir zwei Tage im Güterwaggon. Es war starker Frost, und wir unter Federbetten im Waggon. In Krzyż haben sie uns rausgesetzt, Wohnungen hatten sie versprochen, aber es gab keine. Wir steckten uns in die Güterabfertigung, in ein Zimmer, die Küche zusammen mit zwei Junggesellen. Die Küche war so eine kleine eiserne, das Ofenrohr ragte aus dem Fenster. Zum Heizen – da mussten wir uns Holz aus den zerfallenen, zerstörten Häusern suchen, und Kohle klauten die Leute einfach aus den Waggons, weil man ja die Wohnung heizen musste. Essen konnte man nirgends kaufen. Krzyż war so furchtbar zerstört, es gab keinen Laden, nichts. Ich saß zwei Wochen zu Hause, bin nirgends hingegangen, weil ich Angst hatte. Und Essen? Auf dem Bahnhof war das Polnische Repatriierungsamt, das war so eine Garküche für Repatriierten. Da haben sie mir Suppe in einer Armeeschüssel gebracht, jeden Tag gab es Bohnensuppe. Schließlich habe ich mich gelangweilt, ich bin einfach in die Stadt gucken gegangen. An einer Ecke traf ich eine Frau mit einer Kanne Milch. Gott, was hatte ich Lust auf die Milch! Aber ich hatte kein Gefäß zum Kaufen. Da sagt die Frau: „Ich komm mit zu Ihnen, Sie nehmen alles.“ Und so haben wir das gemacht. Wir sind zu mir gegangen, die Milch habe ich genommen, und sie hat mich zu sich eingeladen. Und so habe ich die erste Bäuerin in Krzyż kennengelernt, die erste Person, die ich hier kannte. Bei ihr wohnte eine Frau, eine Witwe mit ihrem Kind. Ihren Mann hatten die Ukrainer getötet. Sie kam aus der Gegend von Lwów (Lemberg). Sie bekam eine Wohnung und hatte Angst, alleine zu wohnen, also wohnte sie bei diesen Bauern. Und so redeten wir und sie schlug mir vor, bei ihr zu wohnen. Wir bekamen ein Zimmer, die Küche war gemeinsam. Da war so ein Durcheinander, oh Gott. Da war soviel Müll auf dem Dachboden, auf dem Flur, das ist schwer zu beschreiben. Aber wir waren zufrieden, dass wir unser eigenes Zimmer hatten. Und so ging ich nach und nach in die Stadt, hier war irgendwo eine Bäckerei, da war ein Geschäft, sonst nur Trümmer. Als der Krieg vorbei war, da wussten wir, dass sie uns, wenn wir in Poznań (Posen) bleiben, höchstens ein Zimmer mit Küche geben, denn Poznań war auch zerstört. Wenn sie uns das geben, dann stecken sie uns auch da rein, und wir werden wir mit einem Zimmer mit Küche dasitzen. Als sich also die Eisenbahner verständigten, dass man hier in Krzyż (Kreuz) Wohnungen übernehmen kann, da sagte mein Mann: „Ludka, weißt du was, dann verzichten wir auf Poznań, wenn da Wohnungen sind.“ Und die Wohnung trieb uns raus nach Krzyż, wir fuhren dorthin, um eigene vier Wände zu haben. Und so machten das diese Eisenbahner. Einige haben sich da verständigt und kamen hierher und übernahmen den Lokschuppen in Krzyż, da auf dem Bahnhof haben sogar manche gewohnt. Sie bewirtschafteten hier diese Gebiete. Aber ich blieb vorerst mit den Kindern in Poznań und mein Mann fuhr alleine hin, denn alle fuhren ohne Familie hin, diese Herren. Sie nahmen sich eine Wohnung – mein Mann, Waszkowiak und Osiński – zogen in die Krótka-Straße in dieses eine Haus, das war wohl das erste oder zweite Haus. Na und mein Mann kam und erzählt mir, so und so, eine Wohnung haben sie, sie wohnen zu dritt, andere wiederum haben sich woanders was gesucht. Da wohnten sie alle drei. Später machten wir uns, ich weiß nicht, ob ein halbes Jahr später, mit Frau Waszkowiak auf hier zu unseren Männern nach Krzyż. Und als wir da in der Krótka ankommen, schau ich mich um, was hier für eine Toilette ist, aber hier gibt’s wieder keine Toilette. Ich sage: „Hör mal zu, Florek, hier gibt’s keine Toilette in der Wohnung?“ – „Nein, gibt’s nicht, ist auf dem Hof.“ – „Dann komme ich nicht hierher wohnen. Wenn du willst, wohnt hier weiter, aber ich komme erst einmal nicht mit den Kindern. Wenn du eine Wohnung mit Toilette im Haus suchst, dann gerne, sofort.“ Zwischen den Menschen, zwischen uns, da war so eine gute Atmosphäre. Denn was kann ein Mensch dafür, dass er da aus dem Osten ausreisen musste? Und wir wiederum kamen hierher wegen der Wohnung, wir reisten auch hierher – aus Poznań (Posen). Manche haben sich gewundert: „Und warum seid ihr aus Poznań hierhin gegangen, nach Krzyż?“ Ich sage: „Wenn Sie so wie ich so viele Jahre zu viert auf nicht einmal 10 Metern gewohnt hätten, dann wären auch Sie sicher zum Ende der Welt gegangen.“ So war das. Das Wohnen war in Poznań (Posen) nach dem Krieg sehr schwierig. Es gab einige Zerstörungen: 1939 waren es sehr viel weniger als 1945, das war wegen der Front. Wir schafften es bis nach Świerczewo (Schwarzow), zu den Baracken. Und dort gab es keinerlei Wohnmöglichkeiten. Mein Schwager kam und sagte: „Weißt Du was? Ich fahre in den Westen, konkret nach Krzyż (Kreuz). Vielleicht finde ich dort etwas Besseres.“ Und er fuhr dorthin. Er kam zurück und sagte: „Weißt du was? Macht Euch fertig, lass die Eltern im Moment hier. In der Zwischenzeit komm nach Krzyż. Dort gibt es Wohnmöglichkeiten und Arbeit.“ Aber man brauchte nicht nach Krzyż fahren, um dort Arbeit zu suchen, sondern musste von der PKP [Abk.: Polnische Staatsbahn] eine Versetzung aus Poznań erhalten. Ich habe mich zur Arbeit gemeldet, weil ich gerade am 30. März 18 Jahre alt geworden war, denn ich wurde 1927 geboren. Und ein sehr angenehmer Kerl, der uns empfing, sagte: „Du bist ein junger Bursche, aber in Krzyż gibt es viele von uns, viele von unseren Arbeitern aus Poznań. Auch in der Verwaltung. Dort werden sie dich aufnehmen. Du bekommst eine gute Arbeit.” Und so war es. Der Schwager arbeitete hier bereits. Ich kam hierher, natürlich mit dem Zug. Wir hatten solche „PKP“-Aufkleber auf den Schultern, damit uns niemand Probleme macht, denn mit den Fahrscheinen war das so eine Sache. Aber wenn man dieses „PKP“ hatte, dann war klar, dass es ein beschäftigter Arbeiter war. Und so kamen wir hierher, aber nicht direkt, denn man darf nicht vergessen, es war noch Krieg. Schließlich endete der Krieg im Mai 1945, und es war März, April. Am 4. April befand ich mich in Krzyż. Tag und Nacht standen wir in Drawski Młyn (Drahzigmühl), weil die Brücke eingestürzt war, man fuhr auf Pontons hinüber. Polen und Russen arbeiteten an dieser Brücke. Ein Zug nach dem anderen fuhr an die Front, Personenzüge, verschieden, während wir dort warteten. Sie stellten uns abseits ab und wir warteten. Aber nach vielleicht 24 Stunden, vielleicht auch weniger, gelangten wir nach Krzyż. In Österreich sind sie zu uns in den Keller gekommen, einige russische Soldaten. – Wychadi, wychadi! (Rausgehen, rausgehen!) Wir dachten, dass wir zu uns fahren, weil uns das die Russen versprochen haben, dass „ihr fahrt“. Aber sie haben uns nicht gelassen. Wir dachten, wir fahren da hin, nach Wołyń. Wir haben uns an dem Bahnhof versammelt, sie haben uns über Ungarn, Slowakei, oder Tschechien transportiert bis nach Krakau, oder in die Gegend von Krakau. Uns haben die Russen gesagt, dass „ihr nach Hause“ fahrt, aber naja – da durfte man nicht mehr hinfahren, weil das schon durch sie besetzt war. Ja, da haben sie uns hierher gebracht. Wir waren schon zwei Jahre da in Österreich, der Mensch hat sich da schon dran gewöhnt. Aber wir haben immer noch gedacht, dass wir wieder nach Hause fahren, aber der Russe hat gesagt: - Zdies tiebia głaza prysypiat’ piesoczkiem. Das hieß die streuen dir diesen Sand in die Augen. Na weil es da bei uns im Osten schwarze Erde gab. Da gibt es keinen Sand. Aber hier ist Sand. Das ist keine so fruchtbare Erde wie bei uns im Osten.
In Pęckowo konnte man nach dem Krieg nirgendwo wohnen. Mein Mann arbeitete in Krzyż (Kreuz), also bin ich nach Krzyż (Kreuz) gefahren, weil nicht für alle Platz zu Hause war. Damals sind viele Leute weggezogen. Aus Poznań (Posen) und anderen Orten. Es gab kaum jemanden in Krzyż (Kreuz), der aus demselben Ort stammte. Ich habe im März geheiratet und bin gleich nach Krzyż (Kreuz)
Am Ende mussten wir wegfahren. Und das war so – wir haben alles verloren, alles, was wir besaßen, alles, was mein Vater und meine Mutter sich im Leben erarbeitet hatten. Ich war 15 Jahre alt, als wir aus Czortków weggefahren sind. Wir sind unter schrecklichen Bedingungen gefahren, es war zum Weinen. Wir sind in offenen Waggons gefahren, Viehwaggons. Zwei Nächte und zwei Tage lang haben sie uns so viele Kilometer transportiert, bis hinter Brzeg, auf die deutsche Seite. Das war Popielice, an den Namen erinnere ich mich bis heute. Dort haben sie uns auf freiem Feld ausgesetzt, das war eine Durchfahrtsstation. Dort waren sehr viele Menschen, sehr viele Menschen mit Gepäck, mit alldem, was wir mit mitgenommen hatten. Es regnete, und kalt war es, obwohl Juni war, war es schrecklich kalt, als es regnete. Die Kinder wurden durchnässt, man konnte sich nirgendwo unterstellen, nichts. Wir wollten uns dort niederlassen, aber es stellte sich heraus, dass zum einen noch nicht alle Deutschen aus dem Dorf dort weg waren, zum anderen versteckten sich einige tagsüber in den Wäldern und kamen nachts zurück. Jeder hatte Angst. Ich weiß nicht, ob sich jemand dort niedergelassen hat. Unser Vater hat alles mit den Machthabern geregelt, mit dem Militär – weil uns das russische Militär gefahren hat – und wir kehrten nach Tarnów zurück. Denn wir waren für Tarnów registriert, und sie hatten uns per Transit direkt auf die deutsche Seite gefahren! Wir sind einen ganzen Monat nach Tarnów gefahren. Unterwegs standen wir wegen der Lebensmittelversorgung auf Nebengleisen, wenn es eine größere Station war, standen wir manchmal sogar einen Tag oder zwei. Auf dieser Reise sind verschiedene Sachen passiert, man hatte Angst auszusteigen, ich war schon ein Mädchen, 15 Jahre war ich alt. Man musste öfter mal vor den Soldaten fliehen, vor den Russen. Das war furchtbar, ich kann es nicht in Worte fassen, und das war schon in Polen! Als wir in Tarnów ankamen, stellte sich heraus, dass es für Vater keine Arbeit gibt. Aber vorerst musste man sich irgendwo niederlassen, um etwas anderes zu suchen. Wir waren mit anderen Menschen geradeaus in so einem großen Lagerhaus auf dem Bahnhof, da konnten wir übernachten. Schließlich ging Vater in die Stadt und überzeugte sich, dass es dort, auf der Wałowa-Straße, wo Juden gewohnt hatten, ein freies Gebäude gibt. Irgendwie haben wir dort gewohnt. Wir blieben dort keine zwei Monate, es gab weder Arbeit noch Geld. Dann hat Vater den Schrank verkauft, um polnisches Geld zu haben, weil uns niemand etwas gegeben hatte. Das war das Schlimmste, sie haben uns von dort ausgesiedelt, aber wir haben keinen Groschen polnisches Geld bekommen, um wenigstens Brot zu kaufen. Aber zwei kleine Kinder wollten doch was zu essen haben, man musste Milch kaufen, irgendwas zu Essen. Dann hat Vater diesen Schrank verkauft, und davon haben wir uns einen Monat lang irgendwie durch gequält. Und Vater sagte: Nein, er fährt uns irgendwo einen Platz suchen. Und sie kamen mit dem Onkel gerade hierher, nach Krzyż (Kreuz), Vater nahm ein Haus bei der Gemeindekirche, das verlassen war. Aus Tarnów nach Krzyż fuhren wir eine ganze Woche. Aber das war schon nach dem Krieg! Diese Abfahrt selbst war schrecklich schwer. Alle haben wir geweint, und alles war so ... Die Kinder wussten nicht, warum wir weinten, daher haben sie auch geweint. Es war furchtbar, weil doch – unser ganzes Hab und Gut, als wäre das alles verbrannt. Aber das war eigentlich noch schlimmer, weil es nicht verbrannt ist, denn wenn es verbrannt ist, dann gibt es das nicht mehr. Aber das war so, dass du alles zurücklassen musstet, alles was man mit den Augen sah, alles musstest du zurücklassen. Das war wirklich furchtbar. Gerade das tat mir weh, als wir dorthin, nach Polen kamen, denn es war doch auch unser Polen. Und als wir hierher in den Westen kamen ... Auch hier im Raum Poznań (Posen) waren die Menschen nicht besonders ehrlich. Sie nannten uns "hadziaje", Ukrainer ... Und was konnte eine Frau tun? Nichts. Die Leute verstehen nicht, was das ist. Als im Februar 1945 in Piła (Schneidemühl) die Kämpfe vorbei waren, wurde mein Vater als Eisenbahner in die Westgebiete geschickt. Sie brauchten dringend die Eisenbahnlinie Bydgoszcz (Bromberg) – Ostpreußen. Denn hier war doch die Front, hier waren Kämpfe, es gab die Pommernstellung, all diese gebauten Bunker. Und da das Militär die Gleise benötigte, musste der Weg für die russischen Streitkräfte frei sein, sie gaben die Anordnung raus, da musste man sich aufmachen. Da sagte mein Vater: „Du fährt mit mir nach Krzyż (Kreuz).“ Und so sind wir gefahren. Wir fuhren durch Rogoźno (Rogasen), Wieleń Południowy (Poln. Filehne), dann auf dem Fluss, denn durch Piła kam man nicht durch, mit keinem Transport, es fuhr noch nichts. Und hier sammelten sich schon langsam die Angestellten, beschafften sich Räume zum Arbeiten und Wohnungen. Erst haben wir alle in Wieleń Południowy gewohnt. Erst habe ich mit meinem Vater gearbeitet, mein Vater hatte da seine Leute, sie gingen umher, reparierten die Gleise. Es gingen die ersten Züge mit russischem Militär, hin und zurück, sie haben uns beaufsichtigt, alles war noch unter Aufsicht der russischen Soldaten. Sie haben den Polen irgendwie nicht getraut. Und schließlich sagt mein Vater: „In Krzyż bauen sie Eisenbahnerabteilungen auf, du fährt nach Krzyż, du solltest nicht weiter mit mir arbeiten.“ Denn mein Vater war so was wie mein Vorgesetzter, und ich, seine Tochter, konnte nicht unter meinem Vater als Vorgesetztem arbeiten. Und so habe ich ab Mai oder Juni 1945 angefangen, hier auf dem Bahnhof zu arbeiten, in Krzyż, in der Nachrichtenübermittlung. Ich wohnte in Wieleń und fuhr täglich nach Krzyż, zur Abteilung. Ich habe als Telegrafistin gearbeitet, als Kanzlistin, eigentlich habe ich alles gemacht. Und ich habe in der Zentrale verbunden, am Fernschreiber, und am Morsegerät konnte ich arbeiten, das Morsealphabet kannte ich doch, das kannte ich noch von den Pfadfindern, und ich hatte eine geschickte Hand. Alles, was zu tun war, hat man damals gemacht. Anfangs saßen in der Zentrale Russinnen, dann übernahmen Polinnen die Arbeit, und sie fuhren mit der Front weiter. Nach der Rückkehr aus Österreich bin ich nicht nach Wołyń gefahren, weil meine Eltern in Pawłow waren, ein Dorf bei Chełm. Sie sind aus Wołyń geflüchtet, weil man es dort nicht aushalten konnte, sie sind geflüchtet und waren hier. Sie waren bei Vaters Bruder, weil seine Eltern nicht mehr lebten. Das wusste ich, denn sie haben geschrieben, dass sie geflüchtet sind. Ich habe sie nicht angetroffen, weil sie schon hier waren, in Huta (Hütte) waren sie. Das erste Mal bin hierher am 2. Oktober 1945 gekommen. Am 2. Oktober bin hier angekommen. Die Eltern waren schon da. Wir fuhren drei Wochen. Wir kamen hier an, suchten einen Hof, nirgendwo war mehr einer. Denn in der Stadt konnte man wohnen, aber mein Mann – ihn zog es vom Hof wieder auf einen Hof. Im Transport – alles zusammengedrängt. Es gab nichts, was wir hätten mit uns nehmen können, nur das Kind auf den Arm und eine Schüssel zum Waschen. Von uns, von dort aus dem Osten, da nahmen sie nicht viel – hier aus Weißrussland – ja. Auf dem Weg ernährte einer den anderen, wer was hatte, der gab’s dem anderen, wer nichts hatte… Ich erinnere mich, dass eine Frau eine Kuh hatte, da gab sie mir Milch. Wir hatten doch gar nichts, und hier ein Kleinkind. Zwar habe ich noch selbst gestillt, aber ich musste auch essen und trinken. Mein Mann fuhr nach Krzyż (Kreuz) zur Arbeit. Wir konnten nirgends wohnen, also wohnten wir in Drawsko. Hier arbeitete er, von hier fuhr er zur Arbeit ins Lager, aus Poznan (Posen) ist er direkt hierher gekommen. Dieses Lager gibt es wohl noch, ich weiß nur nicht, was sie da haben, früher haben sie da alles geführt, Kleidung für die Eisenbahner, die ganzen Geräte, Schrauben, alles was für die Dampflokomotive gebraucht wurde. Das hieß: Lagerfiliale. Mein Mann fuhr hier mit den Fahrrad her, solange bis wir hier die Wohnung bekamen, und dann sind wir hierhergezogen, und haben dies und jenes gekauft, weil hier nichts war, alles wurde durch die Deutschen geplündert. Oder sie haben es weggenommen, ich weiß nicht. Als wir davor in Poznan (Posen) die Wohnung nach den Deutschen kamen, weil sie uns alles verbrannt haben, blieb nur das übrig, was im Keller war – und da lebten Offiziersfamilien – das war wirklich alles. Sie, ich weiß nicht womit, sie weggefahren sind, ob mit dem Auto oder mit dem Flugzeug. Eines Nachts waren sie weg, ganze Wohnhäuser, die ganze Straße. Und da war noch eine Wanne voller schön gewaschener Wäsche, noch im Wasser. In den Schränken war auch noch alles. Na und wir als Mädchen haben die Sachen anprobiert, ob uns was passt oder nicht. Wenn was nicht passte, konnte man das umändern. Da waren zwei Liegen, Schlafzimmer, Schränke. Ich davon nicht viel genutzt, ein bisschen hab ich mitgenommen, als ich nach Drawsko kam, also eigentlich hier nach Krzyż (Kreuz). Die Reise sah so aus, dass wir zu 20 Personen in einem nicht großen Güterwaggon fuhren. Einige waren mit ihren Möbeln unterwegs, mit dem ganzen Hausrat. Der Waggon war voll. Das Dach war flach, so dass auf dem Dach Matratzen befestigt waren, und auf dem Materatzen hat man geschlafen. Man musste liegen, denn wenn man sich aufgerichtet hat, dann hätte man an einer Brücke hängen bleiben können. Als der Zug fuhr, gab es solche Vorfälle. Wenn man lag, war’s in Ordnung. Ich erinnere mich, dass ich so ein paar Nächte geschlafen habe, mein Bruder schlief auch so. Es war schwer, aber trotz allem fuhr man. Vielleicht etwas zu lange, denn ständig hielten wir irgendwo, denn damals fuhren noch Transporte aus Polen und aus Deutschland Richtung Osten. Die Reise war deswegen stark erschwert, oft stand man auf Nebengleisen. Nie wusste man, wie lang man steht, man kam auf einen Güterbahnhof oder auf ein Nebengleis, und man stand eine Stunde, oder zwei, oder einen Tag, niemand konnte sagen, wie lange der Zug auf dem Nebengleis stehen wird, ehe er weiterfährt. Eine Unmenge Insekten war im Zug, und es gab nichts, womit man sie hätte bekämpfen können, denn es gab nichts, wo man hätte Wasser kochen und sich waschen können. Selbst an Trinkwasser mangelte es oft. Von Essen würde ich gar nicht erst sprechen, denn zu essen gab es manchmal nur einmal am Tag, und dann nicht viel, denn nirgendwo konnte man was her bekommen. Eigene Vorräte hatte man nicht, wie viel Brot kann man auch in der Sommerzeit auf Vorrat haben, an heißen Tagen im Zug? Man konnte keine Vorräte machen. Man hat einfach Hunger gelitten. Um ans Ziel zu kommen, haben wir Hunger, Durst und Schmutz erlitten.
Die Deutschen sind nicht mehr da, aber wo soll man wohnen und womit die Felder bestellen? Wir schaffen es nicht. Mein Schwiegervater setzte sich auf den Wagen, ich half ihm, spannte die Pferde ein, und wir fuhren nach Rzeszów zum Amt, damit sie uns irgendwie helfen, mit einer Anleihe oder sonst etwas. Man konnte wieder zurückkehren, nachdem die Front durchgezogen war, aber womit? Hände und zerrissene Kleider, es gab kein Geld, mit dem man hätte einkaufen können. Darauf das Amt: „Wir geben keine Unterstützung, wir haben nichts.“ Sie stellten eine Bescheinigung aus, und: „Bitte fahren Sie nach Krzyż (Kreuz), dort sind die Tische gedeckt und alles ist für Sie vorbereitet, weil die Deutschen geflüchtet sind.“ Ob man will oder nicht, man muss fahren, man muss weg von hier, dieses alte Haus leer zurücklassen. Man musste sich bei der Bahn melden, um einen Wagon zu bekommen, denn was wir hatten, mussten wir mitnehmen. Im Jahr 1944 kamen die Russen wieder zu uns und blieben. Mir kommt es vor, dass die Russen schon damals hier geblieben sind. Die Leute haben schon Gott gebeten, auf dass die Russen hierher kommen, weil die Bandera-Banden uns nicht in Ruhe leben ließen. Diese Banden wurden so schrecklich; woher so viele kamen, wusste keiner, aber die Russen waren gegen die Banden, sie beschützten die Menschen. Jetzt war es schon besser, jetzt hatten wir keine solche Angst vor den Banden. Aber in der Nacht - es war schwierig irgendwo zu übernachten. In der Nacht sind wir gelaufen, wir waren die älteren Schwestern, in der Nacht da sind wir irgendwo aufs Feld gegangen um zu übernachten. Es regnete, Tau überall, man konnte nirgendwo übernachten... Als wir hier nach Polen gekommen sind, als wir hier angekommen sind, haben wir zwei Wochen lang so fest geschlafen,dass wir nicht aufstehen konnten. Wir wollten nicht einmal essen, obwohl wir so hungrig waren, so haben wir geschlafen. Hier war es ruhig, still, und dort war es so schwer zu leben, dass wir nicht gedacht haben, dass wir das überleben. Irgendwie hatte uns Gott geholfen. Als sie schon Berlin befreit hatten, konnten wir aus dem Lager nach Hause fahren. Jeder fuhr eigentlich in seine Heimat, aber mit der Angst, ob wir ankommen, denn auf dem Weg konnten uns diese Bandera-Banden ermorden. Aber irgendwie kamen wir nach Krzyż (Kreuz), und wir waren hier in Krzyż. Hier war irgend so ein staatliches Repatriierungsamt, das ist so ein Büro für Flüchtlinge, die aus Deutschland kommen. Hier waren von den Deutschen verlassene Dörfer, es gab Huta Szklana (Glashütte), Brzegi (Kienwerder), Wizany (Fissahn)… Denn es kamen sehr viele Leute, Polen, und so siedelten sie uns auf Höfen an. Und als wir schon den Hof in Szklana Huta bekommen hatten, da war’s gut. Wir fuhren zwei Wochen, es vergingen zwei Wochen. Aber auf diesem Bahnhof, Horodziej hieß dieser Bahnhof, wo wir verladen wurden, sagte ein Eisenbahner, dass wir hier zwei Wochen warten müssen, ehe der Transport losfährt. Da bin ich an einem Tag nach Hause gegangen, acht Kilometer hatten wir von diesem Horodziej nach Hause. Ich ging nach Hause, um zu sehen, was da passiert. Meine Mutter blieb mit ihnen auf dem Bahnhof, und ich ging zu Fuß nach Hause, denn Fahrräder gab es damals nicht. Ich ging nach Hause, ich ging in das Haus rein – alles war aufgewühlt. Was auch immer wir zurückgelassen hatten – denn man nimmt Kleidung, das, was besser ist, und was schlechter ist, das lässt man schon zurück – das alles war durcheinandergeworfen. Jemand war schon in dem Haus. Und später sah ich, dass russische Soldaten in der Nähe sind. Da bin ich durchs Fenster geflüchtet und ging dahin, in dieses Horodziej, wo unser Transport stand. Zwei Wochen wohnten wir in Horodziej, wir schliefen in Waggons. Erst später ging der Transport los, als er schon beladen war, denn man konnte nicht zwei, drei Familien transportieren, man musste [warten], bis der ganze Zug beladen war, alle Waggons. Denn es kommt einer, der hat dann wenig – ein Schwein, ein Pferd, er trieb das in den Waggon und fuhr noch nach Hause, um was zu holen, da musste man auf ihn warten. Der Lokführer, oder wer das sagte, dass man warten muss, heute fährt der Zug nicht. Als wir da standen, wo sie uns hin transportiert hatten – in Kostrzyn (Küstrin) – da sahen die Mütter, dass da alles zerstört ist, das ganze Kostrzyn, da fingen sie an zu bitten, dass sie uns zurückbringen. Und ich ging in der Zeit mit einer Freundin dort in diese Stadt, schauen. Alle Gebäude waren zerstört. Und in der Zeit, bis wir zurückkamen, hatten diese Eisenbahner schon alles organisiert, und der Transport fuhr los. Und wir blieben zurück! Mein lieber Gott, ich weiß nicht, was machen, wir weinen auf dem Bahnsteig, stehen, weinen beide. Kommt irgendein Eisenbahner: „Warum weint ihr?“ Wir sagen, dass unser Transport nach Krzyż (Kreuz) losgefahren ist und wir zurückgeblieben sind. Er sagt: „Ihr braucht nicht weinen, nur warten, bis ein Zug kommt. Ihr steigt in den Zug ein und holt euren Transport ein, ihr werdet sehen, dass er steht, und ihr steigt aus.“ Und so haben wir’s gemacht, Fahrkarten hatten wir keine, nichts hatten wir, denn wir hatten doch kein Geld bei uns. Wir sitzen in dem Zug und fahren. Wir fuhren vielleicht eine Haltestelle, sehen, dass unser Transport steht. Wir denken: „Meine Güte, das ist gut.“ So haben wir uns gefunden. In Poznań (Posen), habe ich einen Bekannten aus Drawsko (Drahzig) getroffen. Ich frag: „Wo wohnst du?“ Und er sagt: „Ich wohne in Drawsko. Wenn du willst, dann geb ich dir eine Wohnung mit Möbeln, und die deutschen lass hier.“ Und ich frag: „Und was sind da für Möbel?“ – „Alles was du willst, du gehst einfach rein und schon wohnst du da.“ Und wir zwei Dummköpfe haben die Möbel dagelassen, ein großes Grammophon und sage zu meinem Mann: „Weißt du was, wir fahren nach Drawsko. Da ist die ganze Familie.“ Ich hatte zwei solche verschließbaren Körbe, da haben wir unsere Sachen reingepackt, und sind zu Papa und Celia nach Drawsko gefahren. Und mein Mann hat gleich die Tischlerei in Krzyż (Kreuz) bekommen und so sind wir hierhergekommen. Aber unser Bekannter hat uns so betrogen, es war kein einziges Möbelstück da, nichts war da, als wir hierhergekommen sind. Die Möbel wurden in Krzyż und auch in Drawsko geklaut, weil es in der Nähe lag. Als wir den Russen in Kraków (Krakau) die Gleise verbreiterten – denn im Voraus hatten sie uns alle aus Lwów (Lemberg) zusammengerufen, um die Gleise zu verbreitern, das war Bierzanów, Kraków (Krakau), Płaszów, Prokocim – da haben wir die Gleise so verbreitert, dass sie von Przemyśl nach Krakau fahren konnten. Als das vorbei war, wir das gemacht hatten, da haben sie uns wieder alle zusammenholt, jedem einen paar Pfennig gegeben – und auf nach Westen! Also auf nach Westen – das war verschieden. Die einen fuhren in die Gegend von Poznań (Posen), andere nach Wrocław (Breslau), wieder andere nach Zielona Góra (Grünberg)… Ich als Grünschnabel hatte da nichts zu sagen, und diese 30 Männer aus Lwów sagten: „Wir fahren in die Gegend von Poznań, denn da ist am meisten zu holen, dann fahren wir dahin. Drei Monate halten wir aus, und nach drei Monaten fahren wir zurück nach Lwów.“ Und ich sagte: „Für‘n Arsch!“ Mit Verlaub, aber ich erzähle, was ich gesagt habe. Da schrien sie mich an, dass ich ein wankelmütiger Mensch bin. „ Du hast nichts zu sagen, Grünschnabel.“ Ich sage zu meinem Vater: „Papa, wir habe keine Chance, 25 Jahre sind zu wenig, 50 Jahre sind zu wenig für eine Rückkehr.“ Und es hat sich gesagt, dass es so war. Wir kamen hier nach Poznań (Posen) – dunkel, still, die Front, der Krieg dauert noch an, die Artillerie wärmt unheimlich. Und in der Direktion in Poznań warteten wir vier Tage auf die Brücke an der Noteć (Netze). Als die Noteć-Brücke frei war, da fuhren wir mit dem ersten Zug, der von Poznań nach Wronki verkehrte. Weil von Wronki bis zur Grenze hier, denn das war die frühere Grenze, in Krzyż (Kreuz) – da war nur ein Gleis. Es gab keine Brücke, die Brücke machten sie gerade, und mit diesem ersten Zug kamen wir in Krzyż nach. Wir kamen in Krzyż um Mitternacht an, und die Russen haben uns empfangen, und brachten uns nach oben zum Bahnhof, und wir haben uns dort aufs Stroh gelegt und lagen dort. Unter Waffen führten sie uns zum Lokschuppen, und führten uns unter Waffen wieder zurück. In die Stadt ließen sie uns nicht. Die Stadt hatten sie im Voraus ausgeraubt, niedergebrannt, erst, als nichts mehr da war, ließen sie uns in die Stadt. Ich als Junggeselle sagte mir: „Was soll’s, man muss dieses Vaterland wiederaufbauen.“ Na und ich habe hier gesessen, ich arbeitete als Elektriker, ich habe gearbeitet, man brauchte hier so einen Menschen. Ich brachte das Wasserelektrizitätswerk in Kamienna in Gang, 23 Kilometer von hier. Und das Elektrizitätswerk wurde bis 1947 von Eisenbahnern betrieben. Die Ukrainer töteten uns und wir mussten hierher flüchten, nach Polen, das unsere zurücklassen… Das ganze Dorf ist geflüchtet, und nicht nur unser Dorf! Eine Unmenge der Dörfer war polnisch, und überall töteten sie Polen, eine Unmenge von Dörfern! Überall ermordeten sie Polen. Sie sagten: „Wir ermorden die Polen, dann wird die Ukraine uns gehören!“
Wir wohnten wohl zwei Monate lang in Tarnopol, ehe sie diese Waggons bereitstellten. Auf welchem Weg wir hierher gekommen sind – ich weiß jetzt nicht mehr, wie wir gefahren sind, über Warschau? Aber wohl über Warschau, nicht über Krakau. Wir kamen auf die polnische Seite, als sie uns an die Seite stellten, war keine Dampflokomotive da, da standen wir wohl länger als eine Woche. Und später, als sie losfuhren und wir fuhren, da war wohl in Warschau der 1. Mai, sie veranstalten einen Maiumzug und wir sahen das aus dem Zug. Wir lebten von dem, was wir von zu Hause mitgenommen hatten. Mutter hatte noch Brötchen im Ofen gebacken – denn in dem Haus gab es keinen Backofen, um da ein bisschen zu backen, man musste den großen Brotofen anheizen. Na und Mutter hat solche Brötchen gebacken, das waren so schöne kleine Brötchen, so ein kleines Säckchen, für den Weg. Und in Tarnopol ließen wir das in so einem Speicher, denn da trocknen sie nicht aus, sie hängten sie auf, und sie haben sie uns geklaut! Denn in der anderen Wohnung wohnten so Leute, die 16 Kinder hatten, da haben wohl die Kinder die Brötchen geklaut. Und später gab’s dieses Brot, das man kaufte, zu Essen und wir aßen diese gebackenen Brötchen nicht mehr. Wir aßen, was wir hatten – Brot, und Marmelade aus Pflaumen schmierten wir, denn wir hatten Pflaumen, da haben wir diese Marmelade aufs Brot geschmiert. Und es gab kein Geld, um da was zu kaufen. Es gab nichts, und Schluss! Wenn sie ein paar Pfennig hatten, behielten sie es für was anderes, für schlimmere Zeiten. Und so sind wir gefahren. In unserem Haus in Drawsko (Drahzig) heiratete die Tochter des Bauern und sie wollte diese Wohnung. Und dort in Drawsko konnten sie nirgends eine Wohnung für sich finden. Und hier war so ein Herr Lala aus Drawsko und er verwaltete hier in der Gemeinde die Wohnungen. Wir hätten doch eher hierher kommen können, wir konnten uns doch irgendwo irgendein Haus nehmen! Wenn Vater sagte – er war sehr ordentlich, er wollte keinen Fremden. Er sagte: „Erinnert ihr euch, als euch die Deutschen rausgeworfen haben, wie ihr geweint habt? Und jetzt soll ich an einen fremden Ort gehen?“ Und erst später gaben sie uns hier diese Wohnung, in zwei Wochen zog Vater ein und wir wohnten da im Erdgeschoss. 1945 wurden die polnischen Ostgebiete infolge geschlossener Verträge der UdSSR einverleibt. Sie haben uns in Potsdam und vorher in Jalta verkauft! Leider, die polnischen Ostgebiete wurden der UdSSR einverleibt und uns wurde die Wahl gelassen: die sowjetische Staatsbürgerschaft unterschreiben oder Ausreise. Natürlich haben wir überhaupt nicht nachgedacht – wir wählten letzteres. Am 1. Mai 1945 reisten wir im Rahmen der Repatriierung aus Kołomyja aus. Die Fahrt war natürlich in Güterwaggons, sie dauerte elf Tage, und am 9. Mai 1945, am Tag des Kriegsendes, befanden wir uns in Kobyle Pole bei Poznań (Posen). Und hier auch so eine Geschichte: Denn unser Transport stand auf einem Nebengleis und in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai fing irgendeine schreckliche Schießerei an. Natürlich, alle wachten auf, wir liefen raus aus dem Waggon. Was stellte sich heraus? Es stelle sich heraus, dass nebenan ein Transport sowjetischer Soldaten stand, die aus Deutschland zurückkehrten, und aus Jubel schossen sie, denn – Kriegsende. Für mich was das ein trauriges Ereignis, denn auf dem Dach des Waggons transportierte ich aus dem Osten, aus Kołomyja, drei meiner Brieftaubenpaare in einem Käfig. Als sie anfingen zu schießen, da haben sich die Tauben da in dem Käfig so hin und her geworfen, dass dieser Käfig aufging und die Tauben rausflogen. Das war natürlich eine Tragödie. Ich habe schrecklich geweint! Aber, zufälligerweise, flogen diese Tauben nicht weit und abends ging ich mit Vater die Trasse unseres Transportes entlang und wir sahen, dass die Tauben unter dem Dach einer der Waggons sitzen. Sie waren so verschreckt, dass es uns gelang, sie zu packen – alle sechs – und zurück in diesen Käfig zu bringen. Ich war froh, die Tauben fuhren mit mir nach Kreuz. Zu Hause bestellte der Gemeindevorsteher vier, nein fünf Wagen, sechs Wagen. Nicht eine Familie, sondern einige Familien sind zusammen gefahren. Wir sind nach Wysock gefahren, da haben wir übernachtet. Von Wysock nach Turka, in Turka schon in die Wagons bis nach Krzyż (Kreuz). Wir sind nirgendwo umgestiegen. Und der Schaffner – das war so, dass wir noch Kühe hatten, und er wusste davon. Da wo ein Feld war, Klee oder Wiese, da hielt der Zug, hielt und pfiff nur. Na und die Leute hatten auch Vieh, hatten Sensen. Und sie gingen das Gras und den Klee sensen. Haben gesenst, in die Wagons rein, und er hat dann gehupt, dass er losfährt, damit niemand zurückbleibt. Aber da war eine Frau, die später in Brzegi (Kienwerder) wohnte, der wurden die Beine abgetrennt, alle beide. Die ging hinten, hat Gras getragen, und er fuhr rückwärts. Beide Beine wurden abgetrennt. Na und dann hat sie hier gelebt, hier in Brzegi (Kienwerder) hat sie gelebt, sie lebte. Sie sind sofort ins Krankenhaus gefahren…Sie hatte keine Beine, ist nur im Rollstuhl gefahren. Und uns haben sie nach Krzyż (Kreuz) gebracht, und von Krzyż (Kreuz) nach Wizany (Fissan). Und hier in Wizany (Fissan), hier wo wir wohnen, da waren die Russen. Hier hat mein Bruder gelebt und ist auch gestorben. Die haben hier Pferde gehalten, das waren irgendwelche räudigen Pferde. Mein Bruder hat sich angesteckt, er hatte es auf den Händen und im Gesicht. Hier waren Pferde, beim Nachbarn waren überall Pferde. Die Russen haben die Pferde in Zimmern gehalten! Ja, genau! Bei dem einen haben sie geklaut und im nächsten Dorf verkauft. Sie fragten, wohin wir fahren wollen. Wir sagten: - Nach Hause! – Nach Hause fährst du nicht. – Na da fahren wir wohl in die Gegend von Poznan (Posen) sag ich ihm. Ja und da haben sie uns hier nach Krzyż (Kreuz) gebracht, und in Krzyż (Kreuz) fragten sie, wohin wir wollen, oder ob wir in Krzyż (Kreuz) bleiben wollen. Hier gab es viele leere Häuser. Wir sagten: - Wir fahren aufs Land. Weil wir Dumme vom Dorf waren, und wir wollten aufs Dorf, weil man auf dem Dorf schneller zu etwas kommt. Vor allem meine Mutter hat gesagt, dass sie aufs Land will. Sie haben uns dann hierher gebracht Und alle erklärten uns nach dem Verlassen des Lagers, dass es keinen Krieg mehr geben wird, damit wir nach Hause fahren. Aber wenn man auf die Chaussee oder auf die Straße ging, dann flüchteten schon so viele Menschen, jeder in seine Richtung. Wir fuhren also, aber wir kamen hierher, weiter nicht. Sie sagen, dass man dort nach Hause, nach Wolhynien, nicht zurückkehren kann, denn dort haben die Sowjets alles eingenommen, sie sagen, dass man hier bleiben soll. Dann sind wir hier in Krzyż (Kreuz) geblieben. Als wir schon in Kostrzyn (Küstrin) waren, stand da schon ein polnischer Soldat. Das polnische Militär stand und sie sagen, dass man in einen Zug rein soll, dass man zum Bahnhof gehen soll und auf Züge warten. Da sind wir in einen Zug rein und hierher gekommen, hier stand der Zug so lange und es kam jemand, der schon von dort wiederkam, vom Osten, von diesen Leuten, die hinterm Bug waren, so wie wir. Sie waren schon von dort zurückgekommen, denn dort hatten die Sowjets gesagt, dass alle ausreisen müssen, denn hier wird Russland sein, russische Leute. Und sie fuhren und suchten sich hier einen Platz. Und wir müssten unter ihnen bleiben, denn dort – dort ist Russland, dort war nicht mehr Polen, es gäbe nichts, wofür wir bis dorthin fahren sollten, hinter den Bug, denn dort würden sie uns nicht mehr rein lassen. Und in Zentralpolen bleiben, da dann wieder – wer würde uns aufnehmen, wo würden wir wohnen? Da sind wir gleich hier geblieben und suchten uns ein Haus aus und saßen hier, bis heute.
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