Auszüge zum LesenUnd erst später entstand in Krzyż (Kreuz) das erste Amt, PUR [Polnisches Repatriierungsamt] nannten sie es, und in der Schule, da wo jetzt die allgemeinbildende Schule ist, da war so ein Herr Wilczyński, und der hat das Amt geleitet. Denn er war schon vor dem Krieg Beamter. Und als er sich da in dem Amt niederließ, da hat er sogar unsere Dörfer umbenannt, nach seinem Vornamen. Unser Dorf war nicht Lubcz Wielki (Groß Lubs), sondern Pietrowo. Weil er Piotr hieß. So wurde alles aus dem Deutschen ins Polnische geändert.
Mein Mann bekam als Eisenbahner in der ersten Zeit so eine Bescheinigung, dass er Tag und Nacht, zu jeder Zeit rausgehen darf. Denn es gab auch so Stunde, dass Polen sich nachts nicht so rumtreiben konnten. Die Eisenbahner, die arbeiteten, hatten alle so eine Bestätigung, dass sie Tag und Nacht, zu jeder Zeit rausgehen durften zur Arbeit, er muss gehen, sich melden. Und damit sie ihn nicht ermahnen, damit ihn niemand erschießt, musste er das mit sich führen. In der Baracke bei der Bahnhofskirche kochten Łuca Żytkowiak und noch eine Dame für uns. Das waren zwei Damen, die uns Suppe kochten, das Mittagessen. Von Frühstück und Abendessen war keine Rede. Wir traten immer mit Schüsseln an, so wie Sklaven bekamen wir zu essen. Und weiter an die Arbeit, dass das acht Stunden waren, da schaute man gar nicht darauf. Man musste alles in Stand setzen. Zudem blieben manche Deutschen in der Zeit hier, sie fuhren nicht sofort weg. Sie blieben, arbeiteten mit uns im Lokschuppen, bei der Reparatur von Lokomotiven. Sie waren nicht als Lokführer angestellt, obwohl einige diese Ausbildung hatten, Lokführer waren, wie man auf Deutsch sagt. Sie arbeiteten, aber in Werkstätten, bei der Reparatur von Dampflokomotiven, nicht Diesel-, sondern Dampflokomotiven. Wir hatten keinerlei Vorbehalte gegen sie, weder sie uns gegenüber, noch wir ihnen gegenüber.
Damals herrschte eine andere Einstellung. Nach dem Krieg schaute keiner darauf, viel zu verdienen, wie man was aushecken könnte, sondern die Menschen konnten wirklich für einen Teller Suppe und einen Töpfchen Tee oder für irgendetwas den ganzen Tag arbeiten. Eine Scheibe Brot, weil man sagte, dass man Polen wiederaufbauen muss. Warszawa (Warschau) war doch vollkommen zerstört. Manch andere Stadt war auch zerstört. Aber Warszawa am meisten. Hier wurde überall Geld für den Wiederaufbau eingezogen. Als mein Mann gearbeitet hat, haben sie immer noch Geld für andere solche Sachen eingezogen, für den Wiederaufbau Polens. Ganz am Anfang da haben sie die Dampflokomotiven wieder in Gang gebracht, gleich nach dem Krieg. Ich erinnere mich, dass Papa morgens losgegangen ist, und abends zurückkam, sie haben ihnen Essen gekocht. Und sie sind für das Essen dann sitzengeblieben. Sie sind überhaupt nicht nach Hause gekommen, die Kantine dann danach war besser, aber ganz am Anfang, da gabs nur Suppe, was sollten sie sonst kochen. Dann waren sie die ganze Zeit bei der Eisenbahn, sie haben die Dampflokomotiven repariert, da waren drei oder vier Brigaden, so nannten sie das, und die sind abwechselnd gegangen, die einen nachts, die anderen tagsüber, nachmittags. Sie dahin gegangen und haben gearbeitet. Dann haben sie Vater zu dieser Schule nach Poznań (Posen) geschickt. Nach Abschluss dieser Schule hat er da nicht mehr gearbeitet. Wir kamen hier nach Poznań (Posen) – dunkel, still, die Front, der Krieg dauert noch an, die Artillerie wärmt unheimlich. Und in der Direktion in Poznań warteten wir vier Tage auf die Brücke an der Noteć (Netze). Als die Noteć-Brücke frei war, da fuhren wir mit dem ersten Zug, der von Poznań nach Wronki verkehrte. Weil von Wronki bis zur Grenze hier, denn das war die frühere Grenze, in Krzyż (Kreuz) – da war nur ein Gleis. Es gab keine Brücke, die Brücke machten sie gerade, und mit diesem ersten Zug kamen wir in Krzyż nach. Wir kamen in Krzyż um Mitternacht an, und die Russen haben uns empfangen, und brachten uns nach oben zum Bahnhof, und wir haben uns dort aufs Stroh gelegt und lagen dort. Unter Waffen führten sie uns zum Lokschuppen, und führten uns unter Waffen wieder zurück. In die Stadt ließen sie uns nicht. Die Stadt hatten sie im Voraus ausgeraubt, niedergebrannt, erst, als nichts mehr da war, ließen sie uns in die Stadt. Ich als Junggeselle sagte mir: „Was soll’s, man muss dieses Vaterland wiederaufbauen.“ Na und ich habe hier gesessen, ich arbeitete als Elektriker, ich habe gearbeitet, man brauchte hier so einen Menschen. Ich brachte das Wasserelektrizitätswerk in Kamienna in Gang, 23 Kilometer von hier. Und das Elektrizitätswerk wurde bis 1947 von Eisenbahnern betrieben. Das war das Wasserelektrizitätswerk Kamienna, an der Drawa (Drage), 23 Kilometer von Krzyż (Kreuz). Mein Bahnhofsvorsteher hieß Bobrowski, er gab uns ein Fahrrad und fünf Jungs, mit einem Rad fuhren wir die 23 Kilometer. Wir fuhren drei Tage, weil mit einem Rad. Wie wir fuhren? Abwechselnd, einer fuhr einen Kilometer, ließ das Fahrrad stehen, und ging. Und wir gingen. So sind wir gefahren, so haben wir gearbeitet. Und wir mussten die ganze Starkstromstrecke von Krzyż zum Elektrizitätswerk abgehen, ob die Verbindung brauchbar ist, damit man die Spannung nach Krzyż anschließen konnte. Wir hatten da einen Schlafplatz und Essen, alles. Fleisch gab’s zum Umfallen, denn wir hatten eine Waffe, damit schlachtete man, Fische in Hülle und Fülle, man aß soviel man wollte. Und Brot – mein lieber Gott! – selbst ein Krümel wurde nicht weggeschmissen! Und das ging so: „Herr Klemens, Sie sind am jüngsten, Sie nehmen das Rad und einen Rucksack, und sie fahren nach Krzyż Brot holen.“ 23 Kilometer. 20 Brotlaibe bekam ich in den Rucksack und fuhr durch den Wald, das war ein Waldweg. Es war insofern gut, dass die Deutschen im Wald solche Wege hatten, wo keiner reinfuhr. Ich raste mit dem Rad so schnell es ging, nur die Blätter flogen hinter mir hoch. Aber man musste für das Brot 23 Kilometer fahren. Am Anfang hatten wir eine Deutsche und die Deutsche kochte für uns, denn wir waren mehrere. Die Deutsche hat gekocht, die Eisenbahnpolizei passte auf uns auf. Aber im Wald waren Deutsche! Deutsches Militär! Die Russen, die Front, zog weiter, aber sie blieben. Nur diese Deutsche verschwand am Abend, sie ging ihnen sagen, was hier passiert. Und später, nach einiger Zeit, kamen auch diese Deutschen aus dem Wald raus. Aber weder haben sie uns angegriffen, noch haben wir sie angegriffen. Wir interessierten uns nicht für einander. Sofort fing die Bahn hier zu herrschen an. Die Eisenbahner schauten, um was in Gang zu bekommen, und am wichtigsten war vor allem, Energie zu haben, denn ohne Energie – nichts da. Von Anfang an hatten wir hier so ein kleines Elektrizitätswerk auf dem Sägewerk, und in der Zeit fuhren die einen zum Wasserelektrizitätswerk nach Kamienna, dort brachten sie es in Gang. Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, hätten die Russen es abtransportiert, aber sie konnten es nicht abtransportieren, es ging nicht, denn es ist fünfeinhalb Meter unter der Erde. Sie konnten es nicht von hier wegtransportieren. Übrigens hatten die Deutschen es versenkt. Wir mussten das Wasser ablassen, und so weiter, und alles wurde von neuem zerlegt, man musste es in Gang bringen. Na und das Elektrizitätswerk arbeitet bis zum heutigen Tag. Wenn es um die Stadt Krzyż (Kreuz) geht, dann war sie zu großen Teilen zerstört, aber nicht durch Kriegseinwirkung, sondern durch Banditentum. Als die erste Frontlinie durchzog, da haben sie einfach – die Russen behandelten dieses Land immer als deutsches Land, sie behandelten es nie so, als wenn das Land für die Polen sein sollte. Danach haben sie sich nicht gerichtet, dass man Ordnung lassen soll, weil das unsere Verbündeten haben werden. Das ist nicht wahr. Die Panzer hielten irgendwo auf der Höhe der Kurve hinter Brzegi (Kienwerder) an, da gaben sie zwei Panzerschüsse ab und durchschossen doch den Kirchturm. Das war nicht notwendig. Hier wurde das Stadtzentrum ausgebrannt – ich weiß nicht, wer niederbrannte, warum er niederbrannte – hier gab es keine Kämpfe, hier leisteten die Deutschen keinen Widerstand. So eine Festung war Piła (Schneidemühl), da haben sie sich verteidigt, aber hier gab es keine Kämpfe. Einfach gezielte Zerstörung. Kein Vertrag darüber, dass die Sowjetische Armee hier für Polen Ordnung zurücklassen soll, das gab’s wohl nicht, aber vielleicht war sie auf dem Papier, aber nicht beachtet. Als wir ankamen, da musste man alles von Neuem aufbauen. Vor allem – ich erinnere mich zum Beispiel, dass wir Pfadfinder uns daran machten, den Schutt wegzuräumen, denn wo hier jetzt der Johannes-Paul-II-Park ist, dort war einst der Marktplatz, und das war ein Schutthaufen, und wir haben – die Jugend – den Schutt weggeräumt, die Ziegeln wurden auf irgendeinen Platz gebracht, und es war die Rede davon, dass die Ziegel zum Wiederaufbau nach Warschau gehen. Das war so ein großes Ziel: Die ganze Gesellschaft braut ihre Hauptstadt. Das war das Schlagwort. Und später zeigte sich, dass diese Ziegel nach Drawsko (Drahzig) und woandershin zu verschiedenen Baustellen gingen, die ganze gesellschaftliche Anstrengung verloren. Der Enthusiasmus war groß, die Leute wollten viel machen, aber niemand hatte das im Griff, und später war das so mit der gesellschaftlichen Tat… Wie sagten sie das? Zinn, Zinn, eine gesellschaftliche Tat ist wie dieser Zinn. So was haben sie da gesagt, so ein Scherz war einst. Aber natürlich haben die Leute nicht den Gefallen daran verloren. Als wir den Schutt wegräumten, da waren die Ziegel vielleicht nicht für ein edles Ziel, aber es war Ordnung, man hat was gemacht. Mein Vater hat Arbeit gesucht, und es war klar, dass er sich bemühen musste, damit er die Familie irgendwie ernähren kann, hauptsächlich, und ging zum Dampflokschuppen. Zum Dampflokschuppen, den sie im Jahr 1946 wieder in Betrieb nahmen. Sie gingen wortwörtlich für einen Teller Suppe dort arbeiten, damit sie alles so schnell wie möglich wieder in Betrieb nehmen konnten. Später arbeitete Vater in dem Dampflokschuppen, er arbeitete bei der Reparatur der Dampflokomotiven, und dann schickten sie ihn zu diesem Kurs nach Poznań (Posen), so ein Kurs, um Techniker zu werden, für zwei oder drei Jahre, ich weiß das nicht mehr so genau. |